Nürnberger Ketzerprozesse

gegen Kindermordgegner

EINE KETTE VON RECHTSBEUGUNGEN

II.4. Strafprozeß wegen der ersten Auflage des Flugblattes

„Kindermord im Klinikum Nord. Dr. Freudemann tötet Kinder“

 

II.4.a. Der Strafbefehl

 

Amtsgericht Nürnberg, Fürther Str. 110,90429 Nürnberg

Aktenzeichen: 45 Cs 404 Js 43127/97

Bitte bei allen Eingaben angeben! ml

 

Herrn Johannes Lerle, Brüxer Str. 25, 91052 Erlangen

geb. Lerle, geboren am 01.06.1952 in Halle, ledig, Hilfsarbeiter, Staatsangehörigkeit: deutsch.

Strafbefehl

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben folgenden Sachverhalt:

1. Sie zeichneten presserechtlich verantwortlich für das Flugblatt "Kindermord im Klinikum Nord Dr. Freudemann tötet Kinder", in dem es unter anderem heißt:

"Dr. Freudemann foltert - schlimmer als im KZ", "ein Berufskiller gibt sich mit Straffreiheit nicht zufrieden, sondern klagt das Grundrecht der freien Berufsausübung ein" und "... den Mordinstrumenten des Folterknechts ...". Der geschädigte Arzt Dr. Freudemann fühlte sich dadurch in seinem sozialen Achtungsanspruch herabgewürdigt und in seiner Ehre gekränkt, was Sie auch beabsichtigten. Er hat deshalb form- und fristgerecht Strafantrag gestellt.

Exemplare des verfahrensgegenständlichen Flugblattes wurden von Ihnen am 05.09.1997 gegen 14.50 Uhr vor dem Klinikum Nord, 90419 Nürnberg, Flurstr. 17, an vorübergehende Passanten verteilt. In der Folgezeit wurde auch eine unbekannte Anzahl dieser Flugblätter als Postwurfsendung in den Stadtgebieten von Nürnberg und Stein verteilt.

Die beschlagnahmten ca. 2.800 Flugblätter "Mord im Klinikum Nord" unterliegen der Einziehung. Ebenso unterliegen die anläßlich einer Hausdurchsuchung bei Ihnen beschlagnahmten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ablichtungen aus mehreren Publikationen, die der Vorbereitung dieses Flugblattes dienten, und die ebenfalls beschlagnahmte Diskette u. a. mit dem Entwurf des obengenannten Flugblattes der Einziehung.

2. Am 05.09.1997 übergaben Sie den Sie kontrollierenden Polizeibeamten vor dem Klinikum Nord in Nürnberg, Flurstr. 17, ein weiteres Flugblatt, in dem Sie als presserechtlich Verantwortlicher zu dem Vorwurf der Beleidigung des Geschädigten Dr. Freudemann Stellung nahmen.

In diesem Flugblatt führen Sie unter anderem folgendes aus: "Wer bestreitet, daß Dr. Freudemann ein Mörder ist, weil die Menschen, die er ständig bei vollem Schmerzempfinden lebendig zerstückelt, "für das Gebiet des Strafrechts" keine Menschen sind, der müßte folgerichtig bestreiten, daß der ehemalige Reichskanzler Adolf Hitler ein Judenmörder war. Denn die Juden waren "für das Gebiet des Strafrechts" keine Menschen, sondern "Untermenschen". Da man nur Menschen ermorden kann, hatte Hitler die Juden lediglich getötet, nicht aber ermordet."

"Die Kinder, die Dr. Freudemann lebendig zerstückelt, sind wehrlos. Folglich handelt Dr. Freudemann heimtückisch. Außerdem ist diese Art des Tötens grausam. Somit erfüllt Dr. Freudemann mindestens zwei Kriterien, die seine Tötungshandlungen als Mord qualifizieren. Der Sachverhalt ist somit völlig eindeutig: "Dr. Freudemann ist ein Mörder - sollte man meinen."

"Aber im Sinne der deutschen Sprache, die zu definieren der Bundestag keine Vollmacht hat, haben sowohl Dr. Freudemann als auch Hitler Menschen getötet. Somit ist der eine ein Kinder- und der andere ein Judenmörder. Beide verdienen gleichermaßen die öffentliche Verachtung, die einem Mörder zukommt."

Der geschädigte Arzt Dr. Freudemann fühlte sich durch diese Äußerungen in seinem sozialen Achtungsanspruch herabgewürdigt und in seiner Ehre gekränkt, was Sie auch beabsichtigten. Er hat deshalb form- und fristgerecht Strafantrag gestellt.

Die beschlagnahmten 50 Exemplare dieses Flugblattes unterliegen der Einziehung.

Sie werden daher beschuldigt,

durch zwei selbständige Handlungen jeweils einen anderen beleidigt zu haben;

strafbar als

Beleidigung in zwei sachlich zusammentreffenden Fällen.

Beweismittel:

Zeugen:

POM Schwabe, zu laden über die PI Nürnberg-West, 90331 Nürnberg (Bl. 3 d.A.)

Urkunden:

Auszug aus dem Bundeszentralregister

Strafanträge (Bl. 7, 49 d.A.)

Sonstiges:

Flugblatt (Bl. 6 u. 7 d.A.)

Stellungnahme (Bl. 11 d.A.)

Unter ÜL-NR. 5209/97 sichergestellte Unterlagen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird gegen Sie eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 40,00 DM (= 2.800,00 DM), gebildet aus Einzelstrafen von 50 Tagessätzen zu je 40,00 DM für Ziffer 1. und 30 Tagessätzen zu je 40,00 DM für Ziffer 2., festgesetzt.

Die unter ÜL-NR. 5209/97 sichergestellten Unterlagen werden eingezogen. Es handelt sich hierbei um einen Karton mit ca. 2.800 Flugblättern "Mord im Klinikum Nord"; 50 Stellungnahmen ".... ist Dr. Freudemann ein Mörder?", drei Aktendeckel und einen Schnellhefter mit Entwürfen für Flugblätter, sowie eine Diskette.

Angewandte Vorschriften:

§§ 185, 194, 53, 74 Abs. 1, 74 d Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StGB

gez. Ackermann